Wir waren nicht zu bremsen, wenn die ersten Schneeflocken vom Himmel fielen. Alles drehte sich um die Frage, wann wir endlich Skifahren können! Skifahren sagt man bei uns im Süden, im Norden spricht man vom Skilaufen.

alte SkiIn der Weihnachtszeit denke ich schmunzelnd an die Bescherung am Heiligen Abend zurück. Wir waren drei Kinder und Geld nicht im Überfluss vorhanden. So war mein Geschenk ein abgelegter, schwarzer Lederskischuh zum Schnüren. Wie habe ich meinen Bruder beneidet, der zwar auch einen schwarzen Lederschuh, aber immerhin einen mit Schnalle bekommen hat. Passend zum Schuh gab es einen rot lackierten Holzski mit Kabelzugbindung. Von heutigen Sicherheitsstandards weit entfernt.

Anfangs waren die Ski entsprechend der Körpergröße noch kurz. Beherrschte man die Technik, dann zählte allerdings jeder Zentimeter. Je länger der Ski, desto besser der Fahrer, war die allgemeine Annahme. Auch die Stöcke kaufte man auf Zuwachs. Mein erstes Paar endete in der Achselhöhle und war damit fast 20 Zentimeter zu lang.

Auf Bildern der alten Kreuzeckbahn in Garmisch-Partenkirchen sieht man die Ski seitlich zu den Fenstern hinausragen, da die Kabine nicht hoch genug war. Eine moderne Umlaufbahn hat dieser Nostalgie ein Ende bereitet. Zumal man heute die Ski auch nicht mehr in dieser Länge fährt.

Die Rahmenbedingungen zum Skifahren waren in meinen Kindertagen alles andere als komfortabel.

Die ersten Versuche Ski fahren zu lernen unternahm ich am Idiotenhügel bei Klais. Ich denke, der Name passte zu meinem Fahrstil. Zum Übungshang gingen wir natürlich zu Fuß, oder besser gesagt, wir funktionierten unsere Ski zum Langlaufski um, indem wir das Kabel aus den Haken nahmen. Nicht sehr effizient, aber immer noch besser als zu die Ski zu tragen.

Die nächste Stufe war der Hirzenecklift bei Klais. Lange Zeit auch Übungshang für den Skiclub Krün, bis eine Mure beim Hochwasser 1999 die Piste stark beschädigte, der Lift stillgelegt und später abgebaut wurde. Im Schlittschuhschritt mit angeschnallten Skiern ging’s dort hin. Streugut auf der Straße war für uns kein Hindernis. Für die Heimfahrt hängten wir uns mit den Stöcken an die Stoßstange des Autos vom Liftboy. Alles Geschichte, aber die Abfahrt ist noch vorhanden und wird gerne von Tourengehern genutzt.

Und dann kam der Kranzberg. Damals das Skigebiet schlechthin. Verschiedene Schlepplifte, Skischulen – mittendrin sein, dazu gehören. Das hieß allerdings erst Zug fahren, durch Mittenwald laufen und 130 Treppen zum Sessellift hoch steigen. Nach Liftschluß am späten Nachmittag sind wir querfeldein durch Latschen und Wiesen, mehr schiebend als fahrend eine Stunde nach Hause abgefahren.

Legendär, und auch noch vor meiner Zeit war in Mittenwald der Dammkarwurm. Heute als Traum Freeride und Tourengeher Gebiet etabliert, war das Dammkar schon damals ein Muss für jeden guten Skifahrer. Drei Stunden Aufstieg mit geschulterten Skiern; wer stehen blieb wurde mit Sprüchen „Dann bleib doch dahoam, wenn’s das net packst“ bedacht. Der Lohn für die Mühe war oben  ein Getränk in der alljährlich gebauten Eisbar. Die gibt es heute leider nicht mehr, aber der Streckenabschnitt im oberen Teil ist danach benannt. Meine Mutter erzählte mir, dass sie damals von Sonne und Schnee so braun gebrannt waren, dass man in Mittenwald von den „Dammkar-Negern“ sprach.

Einige Lifte aus diesen Kindertagen sind verschwunden, andere hat man bewusst erhalten, damit die Kinder eine Möglichkeit haben Ski fahren zu lernen. So dürfen die einheimischen Kinder z.B. am Barmseelift bei Krün kostenlos fahren, sofern sie das Codewort „Oachkatzlschwoaf“ kennen und richtig aussprechen können.

An diesem Lift hat das Skifahren die letzten Jahre eine Renaissance erlebt. Wenn auch nur für einen Tag. Anfang Januar findet das „Nostalschi Rennen“ statt. Gefahren wir in den Klassen mit und ohne Stahlkanten, Schnürstiefeln, Kabel- oder Riemenbindung. Und auch die Kleidung muss aus der alten Zeit sein. Eine Mordsgaudi vor allem für die Zuschauer, nicht zuletzt wegen der  spektakuläre Stürze. Gott sei Dank ohne Folgen, da die Geschwindkeit wie in alten Zeiten sehr gering ist.

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Übrigens durfte man bei den großen Rennen in Garmisch-Partenkirchen seinerzeit seine Abfahrtsstrecke selbst wählen. Wichtig war nur, wer am schnellsten vom Start ins Ziel kam. Der Weg war egal.

Zur Ausrüstung gehörte noch etwas ganz Wichtiges: der Ullr, Talisman der Skifahrer. Er wurde als Glücksbringer getragen und sollte vor Knochenbrüchen und Lawinen bewahren. Ull, eine nordische Gottheit des Winters. Ohne diesen eigens geprägten Taler ging man nicht auf die Piste. Alte Skilegenden wie Luis Trenker oder Toni Sailer  hatten noch ein zünftiges Ski Heil auf den Lippen. Wir vertrauten lieber dem Ullr.